Diese Regeln sind in Stein geschlagen.

"...und oh Herold,dein Leben bietest du mir da zu töten meine liebste Brut?..."

....Ich denke ich war 16 als ich die Schule verliess. Mein Vater empfahl mir schnellst möglich eine Lehrstelle aufzutreiben, am besten irgendeine. Ich bewarb mich also wie mir geheissen ward bei verschiedenen Maler & Lackierer Betrieben. Es ergab sich das einer dieser Betriebe tatsächlich Platz für ein schmächtiges Kerlchen übrig hatte. Der Beruf wurde mir schmackhaft gemacht indem man mir sagte ich könnte eines Tages vielleicht sogar...RESTAURATOR... werden. Dies hat beileibe nichts mit einem Cyborg aus der Zukunft zutun welcher gekommen ist um Gastronomie Betriebe dem Erdboden gleich zumachen, wie ich später voller Schwermut feststellen musste. Nein, das Metier des Restaurators liegt in der aufarbeitung und erhaltung alter....Dinge. Erhaltenswerte Kloschüsseln und antike Kochtöpfe inklusive.
Mein erster Arbeitstag war ein Feuerwerk der Superlative. Ich stopfte mich in einen kleinen Van und fuhr geschwind mit dem für mich verantwortlichen Gesellen (Zum Schutz der Person wollen wir ihn Arschloch nennen) zu meiner ersten Mission. Es wäre zuviel gesagt wenn ich behaupten würde das mich diese Mission mit der Aura eines James Bond umgeben hätte aber dennoch fühlte ich eine neugierige aufgeregtheit. Arschloch bremste hart ab und der Wagen kam vor einem bezaubernden Familienhaus zum stehen dessen weiße Fassaden verträumt mit den Wolken des Himmels wetteiferte. Wir waren umgeben von Grün und dem zwitschern der Vögel.

Arschloch gab mir sogleich meinen vertrauensvollen Auftrag:
"Hol ma de Leida"
"Wie bitte?"
"Die Leidaa!"
"Ach Natürlich schuldigung"

Ich eilte zum Fahrzeug und schob eine Leiter beiseite um an den Werkzeug/Werkmittel Kasten zugelangen und kramte aus dessen wahrscheinlich lange vernachlässigten tiefen einen Lederlappen, welchen ich unverzüglich zu meinem Lehnsherren brachte.
"Ne LeiTa verdammt!"
"Ach so"
Zurück zum Fahrzeug und eine lange ausziehbare Leiter ans Tageslicht gezerrt. Schwankend aber elegant bahnte ich mir den Weg zu Arschloch. Voller Stolz richtete ich die Leiter auf und stützte sie gegen die zu bemalende Wand. Arschloch grunzte (Was gewöhnlich wohlwollen ausdrückte,oder verstopfung, oder einen Herzanfall) und bestieg die Leiter.
Ich fragte :
"Und meine Aufgabe? Was sei sie?"
"Halt die Leida"

Mein Gesicht fiel in sich zusammen, in meiner Vorstellung sah ich mich unter der Aufsicht meines weisen Meisters feine Linien ziehen und jetzt sollte ich also die Leiter halten.
Ich tat wie mir befohlen und hielt die Leiter. Meine Hände berührten sie das erstemal um 8 Uhr morgens und sollten sie erst um 13 Uhr wieder loslassen.
So stand ich dort, mein Blick vermied es die "Leida" hinauf zuschweifen weil dort nur das Namensgebende Körpersegment meines Gesellen zu sehen war, also schaute ich lange Richtung Horizont, überprüfte dann ob auf der anderen Seite auch ein Horizont war und bewegten meinen Kopf dann in schöner regelmäßigkeit zwischen diesen beiden Punkten hin und her.

Die Mahnungen von Arschloch beliefen sich auf:
"Halt die Leida fest"
Ich liess sie ab und zu einfach mal los, sie stand auch ohne meine Hilfe. Eine Mischung aus bedauern und triumph durchfloss meine Venen. Bedauern weil das umkippen der Leiter vermutlich ein Höhepunkt des Tages gewessen wäre und Triumph weil es scheinbar nicht nötig war die Leiter zu halten.

Der Tag schleppte sich dahin, ich perfektionierte meine fähigkeiten als einhändiger Leiterhalter und harrte dem Zeitverstreichen.Irgendwann schleppte ich meinen entgeistigten Körper in den Van, ich und Arschloch fuhren richtung Werkstatt. Dort angekommen wurde ich in den Farbenkeller gejagt (Sie kennen doch sicher die Mittelalterlichen Foltergewölbe, der Farbenkeller ist ungefähr das selbe, nur das der Mann mit Henkersmaske frei hat und man sich praktisch alleine foltert) Dort sollte ich die Pinsel meines Meisters reinigen und sorgsam einsortieren. Das abperlen des Wassers an Lackfarben hatte eine gewisse fazination auf mich. Das makellose herabtropfen wie auf Seide, einem kleinen Ballet gleich, das reinigen der Pinsel hatte etwas meditatives.Dieser angenehme Teil des Tages war um 17Uhr vorbei und ich durfte nach Hause fahren. Zuhause angekommen kroch ich ins Wohnzimmer auf den Fernsehsessel und schaute Fernsehen, wobei schauen eine gewisse Hirnaktivität voraussetzt, ich nahm auf. Ich glaube das entsprach ungefähr der tätigkeit die unzählige Deutsche Männer jeden Tag durchmachen. Mir fehlte nur ein Bier und ich wäre für einen Moment zu der versinnbildlichung eines Klischees geworden. Rückblickend wäre diese Erfahrung sicher bereichernd gewessen.

Ein kleiner Gedanke kam mir das erstemal in meinem jungen Leben "Und das willst du dein ganzes Leben machen?" Er war so schnell fort wie er erschienen war. Der kleine Gedanke hatte mir allerdings seine Karte hinterlassen auf der in freundlichen Lettern stand: Ruf mich wenn du mich brauchst.

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